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KANIK'sadığım biri

ORHAN VELİ

Yazan: M. Şeref Özsoy

JUST FOR THE HELL OF IT

111 Poems by ORHAN VELİ

Translated by

Talat Sait Halman

ORHAN VELİ KANIK

Fremdarting

übersetzt von

Yüksel Pazarkaya

ORHAN VELİ'nin

çevirdiği şiirler

Haz: TUNÇER BAYKAŞ

 Frühe Gedichte

Hoy Lu-Lu                     

Der Steile Weg              

Der Baum                   

Reisen                         

Meer                       

Gedichte über den Asphalt

Edith Alméra             

Mein Baum                  

Traurig sein                  

Kneipe                       

Reise                         

Gedichte über das Reisen 

Morgen                        

Die Bebek-Suite          

Monteur Sabri                

Aus Langerweile             

Freitod                          

Briefe an Oktay               

Auf der Straße gehend  

Quantitativ                    

Die Geschichte von Ali Rıza und Ahmet                     

Etwas wie Alkohol           

Auf                         

Vor der Stadt                  

So ist das Leben nun mal

Die Nelke                     

Wie wir                     

Gangster                      

Butter                           

Abschied                         

Senfschrift                     

Ich Orhan Veli                

Vogel und Wolke            

Gott sei Dank                 

Fahne                           

Ungezogenes Kind          

Haiku                             

Fremdartig

Robinson                     

Traum                             

Auswanderung                 

Meine linke Hand           

Mein Schatten                

Meine Augen                 

Am Ende der Welt           

Grabinschrift                   

Ich leide an etwas anderem

?                               

Der in den Krieg Zieht     

Kopfschmerz                 

Bis zum Morgen              

Für Istanbul                     

Wie schön                     

Hab isc Liebeskummer?  

Meine Schiffe                  

Schönes Wetter               

Illusion                          

Kornelkirsche                  

Die Vögel lügen               

Ich grüble nach               

Worauf ich nicht  verzichten kann

Der Bart                         

Reisen                            

Istanbul-Lied                  

Nicht                              

Unterwegs                      

Keschan                         

Gast                              

Altes Gerümpel               

Wie ein Epos

Lieder für den Weg        

Neues

Erinnerung                      

Es gibt da irgend etwas   

In                                 

Das Gedicht mit der Pinzette

Das Gedicht mit der Turteltaube                       

Für die mit der Sehnsucht   nach dem Meer               

Der Große Basar             

Dem Tod nahe               

Das Gedicht mit der Glocke

Flatterndes Gedicht          

Lässig                            

Altındağ                          

Das Lied des Wasserträgers

Gegen

Der Tag kommt               

Für euch                          

Ich höre Istanbul             

Der Freiheit entgegen       

Galatabrücke                  

Gegen                            

Faulenzer Mahmut            

Gedicht fürs Einsamsein    

Trennung                        

Drinnen                          

Erst wenn du nicht mehr hörst

Kostenlos                       

Fürs Vaterland                  

Die Ahmets                     

Die Ansicht der Katze Erol  Güneys über Sozialprobelme im Frühling                      

Gedicht über die Schwangerschaft der Katze Erol Güneys                    

Gedicht mit Flöhen           

Letzte Gedichte

Woge                             

Das Gedicht mit dem        Schwanz / Antwort            

Ruhe                             

Abenteuer                     

Plötzlich                         

Das Gedicht mit den Löchern

Leben                           

Vierzeiler                        

Liebesparade                  

Fünf Beispiele von den frühen, nach dem Silbenversmaß

geschriebenen Gedichten Orhan Velis:

Weizen                          

Segel im Wind                 

Märchen                         

Brot                               

Für die Abende in unserer  Gegend                          

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachwort

 

Ein Fisch in einer Flasche Schnaps

 

<<In meinem ersten Lebensjahr fürchtete ich mich vor Fröschen, im zweiten kam ich hinaus in die 'Fremde'. In die Schule kam ich mit sieben. Als ich neun war, packte mich plötzlich die Lust zu lesen; die zu schreiben mit zehn. Im dreizehnten Lebensjahr lernte ich Oktay Rifat, im sechzehnten Melih Cevdet kennen. Siebzehn Jahre war ich alt, als ich in Bars ging. Mit achtzehn fing ich an, Raki zu trinken. Von meinem neunzehnten Jahr an begann meine Vagabundenzeit. Nach meinem zwanzigsten habe ich Geld verdienen und Not ertragen gelernt. Einen Autounfall hatte ich mit fünfundzwanzig. Ich war immer heftig verliebt, aber geheiratet habe ich nicht. Jetzt bin ich Soldat.>>

 

Hinzuzufügen bleibt zu dieser einfachen Lebensgeschichte des türkischen Dichters Orhan Veli, daß er am 14. November 1950 mit 36 Jahren in Istanbul nachts auf offener Straße an einer Gehirnblutung starb. Dort, in der Bosporusstadt, war er 1914 auch geboren.

 

In seinem kurzen Leben konnte er nicht mehr als 200 Gedichte schreiben. Doch den Namen Orhan Veli kennt heute in der Türkei jeder Schüler, und viele seiner Gedichte und Verszeilen sind bis heute in aller Munde.

 

Neben dem zwölf Jahre älteren Nazim Hikmet sorgte Orhan Veli zusammen mit den beiden in seiner kurzen Lebensgeschichte erwähnten Freunden Oktay Rifat und Melih Cevdet für den endgültigen Durchbruch aus der exklusiven Tradition der höfischen Diwan-Poesie zur Moderne.

 

Auf dem in den zwanziger und dreißiger Jahren von Nazim Hikmet geebneten Weg stellten sie sich gegen die überlieferten Kriterien und lyrischen Auffassungen der Tradition. Ihre radikale, revolutionäre Ablehnung des Vergangenen und Bestehenden führte zunächst zum totalen Bruch mit aller Tradition. Die Gedichte, in denen sich die neue poetische Haltung niederschlug, gaben den damaligen Literaturpäpsten nicht nur Anlaß zu überheblichem Schmunzeln, sondern auch Stoff zu aufgeregten Diskussionen. Grund der Aufregung war der Umstand, daß plötzlich Gedichtzeilen wie <<Schade um Süleyman Efendi>> oder <<Wäre ich auch noch ein Fisch in einer Flasche Schnaps!>> zum geflügelten Wort wurden: Der Tatbestand also, daß das Gedicht vom höfischen Himmel auf die Straße geholt wurde.

 

Orhan Veli publizierte seine ersten Gedichte etwa um die Mitte der dreißiger Jahre in Literaturzeitschriften; und zwar nach der damals herrschenden Mode in den silbenzählenden Metren der türkischen Volkslyrik-Tradition.

 

Diese ersten Gedichte versprachen zwar gute Aussichten für Orhan Veli, doch ???ie waren mit allem Ballast der symbolisch-metaphorischen Gefühlssprache beladen. Veli merkte das selbst und wandte sich sehr bald gegen alle Tradition.

 

Der interessierte Leser findet im Anhang zu diesem Nachwort fünf Gedichte als Beispiele aus der noch traditionsverbundenen frühen Phase Orhan Velis.

 

Nazim Hikmet hatte den renommierten Dichter Ahmet Haşim, der höfische Diwan-Metren mit einer archaisch-barocken Kunstsprache und tiefem Symbolismus auszufellen verstand, in seinen Gedichten immer wieder polemisch attackiert, mit <<Pikkönig>> oder <<symbolistischem Irren>> tituliert; doch ging Hikmet in seiner Radikalität nie so weit, die traditionellen Formen und Elemente des Gedichts total abzulehnen. Vielmehr ging es ihm um eine neue Organisation überlieferter und moderner Mittel und Formen im lyrischen Sprachgebilde, um neue Strukturen. Er hat sich bewußt vor allem der Volkspoesie zugewandt.

 

Anders bei Orhan Veli und seinen Freunden. Seine radikale Ablehnung alles dessen, was bis dahin das Gedicht ausmachte und die öffentliche Auffassung vom Gedicht prägte, zwang ihn, neue Kriterien zu entwickeln. Aber die neue Ästhetik und Poetik formulierte er erst, als er bereits konkrete Beispiele geschaffen hatte: Oft epigrammatisch kurze, einfache Sprachgebilde, die im Lesser den Eindruck erweckten, sie seien spontan in einem Atemzug hergesagt worden (Fürs Vaterland u.a.)

Ahmet Haşim, als der prototypische Vertreter des <<Alten>> in der Lyrik, mußte als Zielscheibe nicht nur Nazim Hikmets, sondern auch des jüngeren Orhan Veli herhalten. Vielleicht wurde er von Velis Polemiken empfindlicher getroffen als von Hikmets harten Provokationen. Veli bediente sich bei seiner Auseinandersetzung und Abrechnung mit der Tradition der Parodie. Ein bekanntes Gedicht von Haşim war damals Die Nelke:

 

Die Nelke

 

Von den Lippen der Geliebten gebracht,

Ist diese Nelke ein Flammentropfen.

Mein Herz spürt es an ihrer Bitterkeit.

Da ringsumher von ihrem wilden Duft

Wie erschlagen die Schmetterlinge fallen,

Ist auch mein Herz ihr zum Falter geworden.

 

Orhan Veli hat auf dieses Gedicht eine Replik mir gleichem Titel geschrieben, die Haşims Anfangszeile polemisch zitiert. Hier zeigt sich zugleich die Tiefe des Bruchs und die Subtilität, mit der Veli sein Engagement vortrug: Velis Nelke datiert vom September 1939; Hitlers Armee hatte schon Polen überfallen:

 

Die Nelke

 

Sie haben recht, es ist nicht so schön

Wie die Kunst der Übertreibung,

Daß Tausende in Warschau starben

Und daß eine motorisierte Truppe

Einer Nelke nicht gleicht,

<<Vom Munde der Geliebten gebracht>>.

 

Ähnlich parodiert Veli in seinem Gedicht Altes Gerümpel Haşims Gedicht Der Wunsch am Ende eines Tages, dessen letzte Zeile mit dem stimmungsgeladenen Wunsch des Dichters schließt:

 

Könnte ich dann ein Schilfrohr sein in den Seen!

 

Velis andersartiger Wunsch in Altes Gerümpel begründet durch die irdische Nähe zum einfachen Mann zugleich sein neues Gedicht-Verständnis:

 

Wäre ich auch noch ein Fisch in einer Flasche Schnaps!

 

Befremden durch natürliches Reden

 

Spätestens 1941 mußten sich auch die hartnäckingsten Vertreter der lyrischen Redeweise im Gedicht der Hausforderung Orhan Velis und seiner Freunde stellen. Glaubte man bis dahin doch, solche Zeilen seien keine Gedichtverse sondern jugendliche Flegeleien einiger Schwärmer - eine Erscheinung, die spurlos vorübergehen würde.

 

Man hat sich in den <<fremdartigen>> Dichtern maßlos getäuscht. 1941 erschien das Buch Garip (Fremdartig) mit Gedichten von Orhan Veli, Melih Cevdet Anday und Oktay Rifat, das die Lyrik-Szene endgültig und folgenschwer auf den Kopf stellte. Das von Orhan Veli verfaßte Vorwort hatte den Charakter eines poetologischästhetischen Manifests. Auch das war ein Novum in der türkischen Literatur. Denn theoretische Reflexionen der Dichter über die eigene Lyrik gehören in der türkischen Literaturgeschichte zu den Ausnahmen.

 

Der gängigen Auffassung von Lyrik, die in symbolisch abgehobenes Reden eingebettet zu werden hatte, stellten Orhan Veli und seine Freunde das alltägliche, das natürliche Reden im Gedicht entgegen und riefen heftiges Kopfschütteln hervor. Das, was man als Gedicht ausgab, erfüllte keines der gewohnten Kriterien und befremdete dafür umso stärker. Orhan Veli hatte eine Erklärung für dieses Befremden:

 

<<Ihr Befremden rührt daher, daß sie das, was sie als Gedicht kennengelernt haben, als natürlich ansehen. Man muß ihnen zeigen, daß dies relativ ist, damit sie am Gelernten zweifeln können.>>

 

Der Titel des gemeinsamen Buchs gab der neuen Richtung den Namen: Fremdartige Dichtung. Was waren die neuen Kriterienm dieser Lyrik? Was war überhaupt das Neue an den Gedichten der Fremdartigen? Was hat das breite Publikum an ihnen so interessiert, bewegt, amüsiert oder aufgebracht?

 

Orhan Veli nannte die neuen Kriterien in seinem Vorwort: Die strike Ablehnung von Reim, Metrum, Symbolen und Verschlüsselungen, Metaphern, Vergleichen und harmonischer Musikalität, kurzum, die Ablehnung alles dessen, was das symbolisch-lyrische Gedicht bis dahin ausgemacht hatte. Orhan Veli zufolge hätten die alten Dichter Reim und Metrum verwendet, damir man ihre Gedichte leichter auswendig lernen und im Gedächtnis behalten könne. Die alten Mittel würden als poetische Techniken und Figuren im heutigen Menschen keine Be-und Verwunderung mehr hervorrufen.

 

Orhan Veli zufolge sind Reim und Metrum Mittel aus der Primitivzeit des Gedichts. Wenn man an einem Gedicht so etwas wie "Harmonie" schätzt, ist weder Reim, noch Metrum die Ursache dieser Harmonie. Die Harmonie im Gedicht ist auch ohne Reim und Metrum bzw. trotz Reim und Metrum vorhanden.

 

Wenn man Reim und Metrum auch einmal als Vorschrift annimmt, so beherrschen und bestimmen sie nicht nur die Gedanken und Empfindungen des Dichters, sondern wirken gleichsam auf die Form der Sprache verändernd ein, was die naiven Absonderlichkeiten in der gebundenen Rede zur Folge hat.

 

Orhan Velis Vorstellungen vom Gedicht schockierten die Verfechter und Vertreter des althergebrachten Gedicht-Verständnisses, für die ein Gedicht schon schlecht war, wenn es der Umgangssprache zu nahe kam. Orhan Veli sieht die Ursache dieses Gedicht-Verständnisses in den Formalien wie Reim und Metrum. Daher wird dieses Verständnis, Orhan Veli zufolge, von dem Gedicht, das sein eigentliches Flußbett sucht, immer befremdet und es ablehnen.

 

In der Tat war der Überraschungseffekt der ungewohnten, ja fremdartigen Gedichte Orhan Velis auf den Leser sehr groß. Doch das führte nicht zu einer Ablehnung, wie bei manchen Literaten und Kritikern, sondern zu einem Mitspielen der Leser. So übten Orhan Veli und seine Freunde fortan nicht nur auf die jungen, angehenden Dichter einen unübersehbaren Einfluß aus, sondern auch auf das breite Leserpublikum.

 

Die neue, immer wieder nachgeahmte Textform bestand aus vier, fünf kurzen Zeilen, die auf eine Art Schlußpointe ausgerichtet waren. Sie zeichnet sich aus durch Textknappheit und überraschende Schlagfertigkeit.

 

An den überlieferten Formen findet Orhan Veli nichts Schönes mehr. Metaphern und Vergleiche sind ihm ein Zwang, die Dinge anders zu sehen, als sie sind.

 

<<Wer dies macht, wird nicht seltsam gefunden; es wird ihm keinerlei Unnatürlichhkeit vorgehalten. Dagegen wird ihm keinerlei Unnatürlichkeit vorgehalten. Dagegen wird derjenige, der Vergleiche und Metaphern meidet, das, was er sieht, mit den Worten ausdrückt, die alle gebrauchen, vom heutigen Intellektuellen fremdartig empfunden.>>

 

Ein weiteres konstant gebliebenes Kriterium des überlieferten Gedichts ist für Orhan Veli, daß es <<den Geschmack der herrschenden Klassen ansprach>>. Die Menschen der herrschenden Klassen brauchten nicht zu arbeiten, um zu leben. Und das Gedicht, welches diese Menschen vertrat bzw. für sie gemacht wurde, erreichte, wie Orhan Veli lakonisch feststellt, eine Vollkommenheit, die sie nicht verdienten. Das neue Gedicht würde sich nicht mehr auf die Vorstellungen dieser Minderheit stützen, sondern es wird die Mehrheit ansprechen. Die Menschen, die heute die Welt bevölkerten, würden unaufhörlich um ihr Recht zu leben ringen. Wie alles, ist auch das Gedicht ihr gutes Recht. Dieses Gedicht läßt sich aber nicht nit den Mitteln des alten Gedichts erreichen:

 

<<Unser Problem ist nicht die Verteidigung der Bedürfnisse einer Klasse, sondern die Suche nach einer Ästhetik der Mehrheit. Diese Ästhetik gilt es durchzusetzen. Es genügt nicht, neue Lehren in alte Formen zu zwängen. Wir müssen alles wegwerfen, was uns die alte Literatur gebracht hat, die unsere Ästhetik und unsere Absichten bis heute bestimmt. Wenn das möglich wäre, so müßten wir sogar die vorgeprägte Sprache abschaffen, die uns zwingt, beim Dichten mit den alten Wörtern zu denken.>>

 

Das bedeutet ein ganz neues Verhältnis zur Sprache, eine weitgehende Reduktion der Sprache im Gedicht. Nicht nur äußerlich, umfangmäßig, sondern auch semantisch: Die Wörter wurden vom Ballast des konventionellen Bedeutungshofs befreit, auf ihre eigentlichen, ursprünglichen Bedeutungen reduziert oder zurückgeführt. Sie bedeuten bei Veli nichts anderes als sich selbst. Die Folge ist eine Art Versachlichung und materielle Konkretisierung der sprache. Dadurch, daß sie aber den gewohnten konventionellen Bedeutungshof ablegt, ist der Leser bei der ersten Begegnung mit dieser Sprache überrascht, verdutzt, ja sogar schockiert. Das Gewohnte, das Selbstverständliche - zugleich das Wirkliche also - wird im Brechtschen Sinne, doch oft lapidar humorvoll, verfremdet.

 

Es entsteht nach Orhan Velis Auffassung keine Kunst, wenn die Bauelemente in dem aus ihnen bestehenden Gebilde keinen anderen Reiz, keine andere Schönheit als ihre eigene entstehen lassen. Damit opponiert er gegen das Lyrische im Gedicht, das ganz bestimmte, auserwählte, schöne Wörter und Ausdrücke voraussetzt. Gerade sie aber stellen als Bausteine fürs Gedicht keinen Gewinn dar, weil sie ihren vorgeprägten Gestus haben und auch im Gedicht nur damit als einzelne Steine glänzen, nicht jedoch zu einem Ganzen mit eigenem Reiz, mit eigener Schönheit zusammenwachsen. So muß das neue Gebilde als ein abstraktes, aus vielen auch im Gebilde für sich existierenden, für sich glänzenden Teilchen bleiben.

 

Der <<Iyrische>> Gestus dieser Wörter hat den abstrakten lyrischen Gestus des Gedichts zur Folge. Der Dichter muß sich also von solchem Wortschatz befreien, wenn er nicht vom glatten, abgegriffenen Lyrischen gefangen genommen werden will, Orhan Velis Engagement für eine neue Sprache im Gedicht folgt aus dieser Überlegung. So bringt er, wohl zum ersten Mal im türkischen Gedicht, von solchem verpönten lyrischen Gestus vollkommen freie Wörter wie <<Hühnerauge>> oder <<Süleyman Efendi>> in das neue Gedicht.

 

Wir erfahren die Gedichte Orhan Velis, als seien sie die ersten Gebilde, die Urformen der lyrischen Gattung; Unvermittelt und ursprünglich ist ihre Wirkung auf den Leser. Diese Form korrespondiert mit der Bereitschaft des Menschen Orhan Veli, die Welt immer wieder <<Urform>> zu erfahren, auch die beiläufigsten Einzelheiten des Lebens und der Welt wie ein Wunder zu erleben - zum Beispiel den Sonnenaufgang zu beobachten, als nähme er ihn zum ersten Mal im Leben wahr.

 

Für Orhan Veli entsteht die Welt jeden Tag von neuem. Sein Weltbild vermittelt kreative Unruhe, ein ständiges Werden. Doch die Fühler des Dichters empfangen die einzelnen Schritte als ständig brodelnde, lärmende Neuentstehung. Freunde bereiten auch die einfachsten Dinge des Lebens. Diese Lebensfreude trotz materieller Not und Entbehrungen läßt nichts, aber gar nichts im Leben des Menschen zur Routine werden. Velis Gedichte sind von humorvoller Hoffnung, ja sogar von Illusionen getragen - bewußten, konkreten Illusionen. Wenn die einfachsten Begebenheiten des Lebens als Wunder erlebt und erfahren werden, sind auch die Illusionen nur auf profane Dinge ausgerichtet: (Illusion)

 

Die Sprache Velis ist unmittelbar, nüchtern, aber auch plastisch und gestisch. Sie ist jedem zugänglich. Der bewußt spontane Sprachgestus kennzeichnet das Gedicht als ein künstlerisches Gebilde und grenzt es von anderen Kunstgattungen wie Musik und Malerei deutlich ab. Orhan Veli rügt die musikalischen, malerischen und sonstigen gattungsfremden Elemente im Gedicht als <<nebensächliche Clownerien>>. Das Gedicht ist ein sprachlies Gebilde. Es kommt dabei auf den sprachlichen Sinn des Ganzen als Einheit an. Damit wirft er auch das Versverständnis über Bord.

 

Ontologisch wird das Gedicht auf sich selbst reduziert. Einfachheit - ein Bezug Velis zur tradionsreichen türkischen Volkspoeseie -, Spontaneität und So- oder Selbstsein sind die hervorstechenden Kriterien dieser <<Fremdartigen>> Lyrik. Sie versteht sich im Sinne der überlieferten Begriffsbestimmung als <<nicht lyrisch>>, sondern vielmehr umgangssprachlich, kühn, nüchtern, trocken und naiv humoristisch. Humor ist überhaupt das Element, ohne das Orhan Veli fast in keinem seiner Gedichte auskommt.

 

Das Fremdartige wird zum Vertrauten

 

Die zweite Auflage des Buches Garip (1945) enthielt nur die Gedichte Orhan Velis und ein zweites Vorwort neben dem alten, das die überspitzten Angriffe gegen alles Alte und Überlieferte etwas abschwächt und jetzt eine gewisse Sicherheit und Überlegenheit des selbst Etablierten ausströmt. Die <<Lyrik der Fremdartigen>> erscheint nun als eine notwendige Anknüpfung an die Tradition. Die unversöhnlichen Angriffe des ersten Vorworts stellen sich nunmehr nicht so unversöhnlich dar. Die fremdartige Dichtung hatte binner weniger Jahre einen durchgreifenden Erfolg erzielt und war inzwischen zu einer breiten Bewegung geworden.

 

<<Wenn ich über den Begriff des Fremdartigen im Gedicht heute schreiben sollte, würde ich gewiß nicht dieselben Sachen schreiben.>>

 

In den fünf Jahren, die inzwischen vergangen waren, war auch Orhan Veli nicht stehengeblieben. <<Wozu hätte ich dann diese fünf Jahre gelebt,>> fragt er rhetorisch, <<wenn ich auch heute dasselbe geschriben hätte?>> Seine Gedichte waren inzwischen auch nicht mehr die gleichen. Sie gewannen auch der neuen, <<unpoetischen>> Sprache Tiefen ab, die in der Psyche des Individuums lagen. Nunmehr waren für Orhan Veli Gesellschaftliches und Individuelles, Materielles und Psychisches nicht voneinander getrennt zu denken.

 

Jetzt konnte in Orhan Velis dichterischem Schaffen auch eine neue Phase eintreten, die den Errungenschaften der tradierten lyrischen Redeweise nicht mehr ganz den Rücken kehrte, sondern sich ihrer Stimmungslage bediente. Vor allem griff er auf Elemente der türkischen Volkspoesie zurück. Die Gedichte dieser Phase sind heute für manch einen traditionsbewußten Kritiker seine besten. Es handelt sich dabei um keinen Bruch mit den Kriterien der fremdartigen Lyrik und ebensowenig um eine totale Verwandlung der lyrischen Sprechweise. Vielmehr findet sich in diesen Gedichten eine leichte Abschwächung der Nüchternheit und Spontaneität. Eines davon handelt von der Bosporus-Stadt Istanbul, die seit Jahrhunderten die Dichter anregt. Orhan Velis lyrische Eindrücke gehören zu den schönsten von dieser Stadt. Collageartig werden Versatzstücke aneinandergereiht und eingebunden durch die Wiederholung der Schlußzeile (Ich höre Istanbul).

 

Bei dieser poetischen Sprechlage verweilt Orhan Veli nicht lange. Kurz vor seinem Tode mit erst 36 Jahren gibt der Frühvollendete ein Literaturblatt mit dem Titel Blatt (Yaprak) heraus, dessen Beiträge er meist selber verfaßt. In den nur 29 Nummern des Blattes veröffentlicht Veli seine neuesten Gedichte, die nicht nur mit einer neuen Tonlage aufwarten, sondern vor allem durch Zuwendung zu sozialen Inhalten gekennzeichnet sind. Angelegt war dies jedoch bereits in den frühen Gedichten. Denn im thematischen Mittelpunkt der fremdartigen Gedichte stand von Anfang an der einfache, kleine Mann von der Straße mit all seinen kleinen oder großen Sorgen und Freuden. In der weiteren Entwicklung der Garip-Lyrik hat sich dieses subjektive Ich mehr und mehr zu einem gesellschaftlichen Ich gewandelt. Zwei Grundtendenzen dieser Entwicklung lassen sich erkennen: In der Thematik der Gedichte die zunehmende Vergesellschaftlichung und das sozialkritische Engagement; in der Form die zunehmende Verdinglichung der Sprache. Mit innerer Konsequenz führt seine Entwicklung zu Gedichten wie <<Das Gedicht mit dem Schwanz>>, <<Für euch>>, <<Kostenlos>> u.a.

 

Yüksel Pazarkaya, Stuttgart 1985

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ANA SAYFA